Horst Eckert

Ein Interview mit dem Autor Horst Eckert

Horst Eckert wurde am 07.05.59 in Weiden/Oberpfalz geboren, studierte in Erlangen und Berlin und machte seinen Abschluss als Diplompolitologe. Nachdem er bereits im ZDF-Studio in Berlin hospitiert hatte, wurde er nach seinem Umzug nach Düsseldorf im Jahre 1987 Fernsehreporter für den WDR (u.a. Tagesschau), Chef vom Dienst bei VOX und Reporter des RTL-Nachtjournals.

Sein erster Roman „Annas Erbe“, dessen Rohfassung Eckert in nur acht Wochen zu Papier brachte, erschien 1995 im Grafit-Verlag. Seitdem sind weitere sieben Romane erschienen, von denen mehrere preisgekrönt sind oder übersetzt wurden. Das neueste Werk erscheint am 07.04.05 unter dem Titel „617 Grad Celsius“.


Romane:

2005 – 617 Grad Celsius
2003 – Purpurland
2002 – Ausgezählt
2000 – Die Zwillingsfalle
1999 – Finstere Seelen
1997 – Aufgeputscht
1996 – Bittere Delikatessen
1995 – Annas Erbe

Preise:

2001 – Friedrich-Glauser-Preis für „Die Zwillingsfalle“
1998 – Marlowe-Preis für „Aufgeputscht“


In diesem Jahr erscheint mit „617 Grad Celsius“ Ihr achter Roman – haben Sie Lampenfieber im voraus, ob auch dieses Buch wieder zum Bestseller wird?

Natürlich lässt es mich nicht kalt, ob mein neuer Roman den Lesern gefällt und wie er sich verkauft. Immerhin lebe ich seit einigen Jahren vom Schreiben. Dass die ersten Kritiken äußerst positiv sind, freut mich sehr.

Ist das Schreiben eines neuen Buchs immer noch Herausforderung für Sie oder doch langsam ein kleines bisschen Gewohnheit?


Jeder Roman ist etwas völlig Neues: die Figuren, die Geschichte, die Thematik, zum Teil auch die Art des Erzählens. Gewohnheit birgt die Gefahr von Langeweile. Wenn die beim Schreiben aufkäme, hätte ich etwas falsch gemacht.

Wie bauen Sie Ihre Romane auf – chronologisch vom Anfang bis zum Ende oder umgekehrt? Oder steht das Ende fest und dann erst kommt die Geschichte?

Bevor ich die ersten Sätze schreibe, muss ich meine wichtigsten Figuren kennen und wissen, wie der Kriminalfall aussieht und enden soll. Erst baue ich das Gerüst, dann entsteht der eigentliche Roman. Allerdings erkenne ich manchmal, dass es besser ist, vom ursprünglichen Plan etwas abzuweichen. Das berühmte Eigenleben der Figuren.

Was ist zuerst da – die Geschichte oder die Hauptfigur?

Die Hauptfigur. Ihre Konflikte, ihre Möglichkeiten, Sorgen und Ziele bestimmen die Geschichte. Danach wähle ich den Kriminalfall aus. Aber indem ich in jedem meiner Romane die Hauptfigur persönlich in die Verbrechensgeschichte verwickle, lassen sich die beiden Aspekte – Figur und Plot – nicht trennen. Meine Kommissarinnen und Kommissare ermitteln nicht, weil es ihr Job ist, sondern weil der Fall mit ihnen zu tun hat, weil ein Teil ihres Lebens von seiner Klärung abhängt.

Woher beziehen Sie Ihre Ideen?

Das Leben liefert die besten Ideen. Die Welt ist ein wundervoller Ort für Autoren von Spannungsliteratur.

Sie beschreiben immer wieder, dass Sie ganz genau recherchieren, bspw. von Kriminalbeamten gegenlesen lassen , um Ihren Geschichten möglichst viel an Authentizität zu verleihen – mit ein Schlüssel zu Ihrem Erfolg?

Es geht nicht um Authentizität um der Authentizität willen, sondern um Fiktion, um eine möglichst gute Geschichte. Aber die Leser wollen spüren, dass sie sich tatsächlich so zutragen könnte. Der Krimi ist ein Genre mit Bodenhaftung, Krimis können Kommentare zum Leben sein. Wenn Details nicht stimmen, wenn schludrig recherchiert wird, nehmen die Leser das Romangeschehen nicht mehr ernst und die Spannung fällt in sich zusammen. Ein Autor, der zu faul zum Recherchieren ist, sollte seine Berufswahl überdenken.

In Ihrem neuen Roman geht es, wie in allen Ihren Büchern, nicht nur um den Fall an sich, sondern auch um die persönliche Geschichte der Anna Winkler. Ist diese Verknüpfung wichtig für Ihr persönliches Erfolgrezept für einen guten Roman?

Romanfiguren müssen echte Menschen sein, nicht bloße Handlungsträger. Erst wenn wir sie verstehen und mit ihnen fühlen, geht uns ihre Geschichte wirklich unter die Haut. Eine Leiche und die Frage nach dem Mörder machen allein noch keinen guten Roman. Wenn die Mördersuche eng mit dem persönlichen Schicksal der Protagonistin verquickt ist, dann lässt sie uns nicht kalt – womöglich auch noch ein paar Momente über das Zuklappen des Buchs hinaus. Das ist es, was ich zu erreichen versuche: Romane, die unsere Gedanken bewegen.

Bürden Sie Ihren Hauptpersonen, in diesem Fall Anna Winkler, nicht manchmal ein bisschen zu viele Schicksalsschläge auf?

Mir ist klar, dass ich Anna im nächsten Roman nicht erneut zur wichtigsten Figur machen kann. Denn so viel in so kurzer Zeit erleidet man höchstens nur einmal im Leben. Aber andererseits: Konflikte machen eine Figur erst interessant. Nur wenn sie vor großen Hürden steht und nicht kehrt macht, sondern sich anschickt sie zu überwinden, wird Anna zur Sympathieträgerin und wir drücken ihr die Daumen. In „617 Grad Celsius“ bewegt sie sich von Beginn an am Limit. Am Schluss liegt ihre Welt zum Teil in Trümmern, doch es gibt berechtigte Hoffnung, dass sich der andere Teil wieder einrenkt. Wir können aufatmen, doch ein Rest an Beklemmung bleibt. So sind Romane gestrickt, die mich interessieren.

Anfänglich scheinen es diverse Handlungsstränge zu sein, die nicht unbedingt zusammen gehören, dann aber logisch verknüpft werden - lieben Sie es verzwickt?

Eindeutig: ja! Die Welt ist komplex, Gut und Böse lassen sich selten eindeutig trennen. Menschen stecken voller Überraschungen und das versuche ich in meinen Romanen wiederzugeben. Das Fernsehen liefert bereits ein Übermaß an simplen und lauwarmen Storys, da darf die Literatur gern etwas mehr wagen.

Warum interessieren Sie besonders Hauptfiguren, die Ecken und Kanten haben, die vielleicht auch unmoralisch sind und nicht mit dem Bild, welches man sich bspw. von einem Kriminalbeamten oder honorigen Politiker macht, übereinstimmen?

Es sind nun einmal die Schattenseiten der Gesellschaft, die Abgründe zwischen den Menschen oder in den menschlichen Seelen, die Kriminalliteratur zum Thema nimmt. Glatte, biedere oder „nette“ Geschichten sind nicht mein Ding. Die würden mich und meine Leser nur langweilen. Abgesehen davon: Welches Bild machen wir uns denn von Politikern? Jeder weiß, dass Macht zum Missbrauch einlädt und dass es überall Schwarze Schafe geben kann. Schwarze Kassen, Nötigung und Intrigen sind wirklich nicht meine Erfindung.

Haben Sie keine Angst, dass Polizei und Politik etwas zu sehr in Misskredit geraten, wenn sie einen Teil Ihrer Bösewichte gerade aus diesen Reihen entnehmen?


Im Gegenteil. Ich lade dazu ein, den Leuten, denen wir Macht verleihen, genau auf die Finger zu sehen. Polizei und Politik sind für die Gesellschaft da, nicht umgekehrt.

Welchen Ihrer Romane sähen Sie am liebsten verfilmt?


Jeden.

Wessen Rolle in ihm würden Sie in diesem Falle gerne selbst übernehmen?

Die des Zuschauers. Wenn es gewünscht wird, auch die des Drehbuchautors.

Wieviel bedeuten Ihnen die Preise, die Sie erhalten haben (für „Aufgeputscht“ den Marlowe-Preis der Raymond Chandler Gesellschaft 1998 sowie für „Die Zwillingsfalle“ den Friedrich-Glauser-Preis 2001)?

Sie waren ein großer Ansporn und sind zugleich auch eine Mahnung, nicht nachzulassen und als Autor immer mein Bestes zu geben.

Jetzt sind Sie auch für den Friedrich-Glauser Preis 2005 für die Kurzgeschichte „Juwelen am Hellweg“ nominiert – werden diese Auszeichnungen langsam zur Gewohnheit für Sie?

Niemand hat ein Abonnement auf Preise. Ich freue mich wie ein Kind, wenn es ausgerechnet mich trifft.

Welchen Einfluss haben diese Auszeichnungen auf die Verkaufszahlen Ihrer Bücher bzw. weitere Veröffentlichungen?

Zumindest das jeweils ausgezeichnete Buch verkauft sich etwas besser, weil der Verlag mit der Auszeichnung werben kann. Dauerhaften Erfolg können allerdings weder Preis-Juroren noch Kritiker bescheren. Den gibt es nur, wenn die Leser zufrieden sind und die Romane weiterempfehlen.

Und noch eine Frage zu dem, was wir weiterhin von Ihnen erwarten können: Was haben Sie sich schreibtechnisch für die Zukunft vorgenommen?

Meine Kriminalromane sollen weiterhin beides bieten, Wiedererkennungseffekte und Überraschungen. Auch wenn eine völlig neue Figur im Zentrum steht, werden Personen, die mir ans Herz gewachsen sind, ihr zur Seite stehen. Ich schreibe klassische Polizeiromane und probiere zugleich gern Neues aus. Ein Roman kombiniert drei Figuren und ihre unterschiedlichen Fälle, der nächste handelt in fernen Ländern oder auf mehreren Zeitebenen. Einen Plan für den neunten Roman habe ich im Moment noch nicht. Anna Winkler und „617 Grad Celsius“ spuken noch zu sehr in meinem Hinterkopf herum.

Besten Dank für dieses Interview!

April 2005

erschienen in der Federwelt Nr. 54, Oktober-November 2005

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Horst Eckert - privat

Früherer Beruf?

Bierschlepper, Fahrstuhlführer (während des Studiums). Dann 15 Jahre lang Fernsehjournalist.

Wenn Sie auf eine einsame Insel gehen würden und drei Dinge mitnehmen dürften. Welche?

Computer, Satellitenhandy, Sonnenschutzcreme (ich hoffe, die Insel liegt in warmen Gefilden)

Sie haben drei Wünsche frei. Welche?

Gesundheit, Geld und noch drei Wünsche.

Wenn Sie eine Entscheidung in Ihrem Leben rückgängig machen könnten. Welche wäre das?

Ich bedaure nichts, was ich nicht bereits verdrängt hätte.

Wie lautet Ihr Lebensmotto?

Alles wird gut.

Wie stellen Sie sich Ihren Lebensabend vor?

Gemütlich, aber nicht eintönig.

Wo möchten Sie gerne leben?

Die oben erwähnte Insel wäre nicht schlecht, falls sie nicht ganz so einsam ist.

Was würden Sie noch gerne erlernen?

Den perfekten Kriminalroman zu schreiben.

Mit welcher bekannten Persönlichkeit möchten Sie gerne tauschen?

Mit Tony Curtis, aber nur für die Dauer einer bestimmten Kuss-Szene in „Some like it hot“.

Ihre Lieblingsfarbe?

Rot.

Ihre Lieblingsblume?

Jeweils der Strauß, den meine Frau ins Wohnzimmer stellt.

Was treibt Sie zur Verzweiflung?

Religiöser oder ideologischer Hass.

Worüber können Sie sich besonders freuen?

Wenn Bayern München die Champions League gewinnt.

In welchem Jahrhundert würden Sie am liebsten leben und warum?

Im jetzigen. Da weiß man, was man hat.

Was möchten Sie Ihren Lesern mit auf den Weg geben?

Meine Romane.

April 2005

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