Lilo Wanders

Interview mit der Kult-Diva und Moderatorin Lilo Wanders

Die Agentur von Lilo Wanders: http://www.agentur-charis.de/

Lilo Wanders ist eine Kult-Diva: glamourös, gaga und hin und wieder ganz daneben. Sie ist die energisch gepflegte Frau ohne Alter, sie ist egozentrisch und manchmal ziemlich boshaft, und sie kann ihre Klappe nicht halten. Unaufrichtigkeit und falsche Töne hasst sie, dafür liebt sie Geschmacklosigkeiten. Echtes und echt Empfundenes wird von ihr geachtet, und was sie nicht wahrnehmen will, gleitet von ihr ab. Sie ist ein kollegiales altes Zirkuspferd und nur schwer von der Bühne zu bomben. Wenn sie singt, dann singt sie über sich und wenn sie über Sex redet, meint sie eigentlich Liebe - meistens jedenfalls.

Ihre Sendung "Wa(h)re Liebe" erfreut sich seit 1994 ungebrochener Beliebtheit, und nicht nur das: "Wa(h)re Liebe" ist inzwischen die einzige Sendung, die es in diesem Genre noch gibt. Als Kunstfigur ironisiert Lilo Wanders das Genre im selben Maße, wie sie es bedient. Beziehungsweise steht sie schon längst über dem, was sie eigentlich vertreten sollte.

"[…] Die Figur hat sich verselbständigt, man hört Lilo Wanders im Radio über Literatur sprechen oder sieht sie in einem Ratequiz für Prominente sitzen. Dazu nimmt sie sich das Recht heraus, als Fernsehmoderatorin altern zu dürfen. Nicht nur, dass sie in ihren Sendungen hin und wieder recht verknautscht wirkt, Lilo Wanders verkörpert am Theater auch eine gealterte Marlene Dietrich, die, schwankend zwischen Depression und Komik, auf den Tod wartet - in einem Stück, das bezeichnenderweise "Der graue Engel" heißt." Der Standard, Wien


Ist mit der Moderation von „Wa(h)re Liebe“ ein persönlicher Traum für Sie in Erfüllung gegangen?

Ich war in den Endproben zu einem Theaterstück, als ich an einem Montag im Juni 1994 auf meinem Anrufbeantworter die Frage vorfand, ob ich Lust hätte, ein Magazin über Sexualität zu moderieren. Ich rief zurück und sagte ab, aber man überredete mich, zu einem Gespräch vorbeizukommen.

Am Dienstag fand ich mich in einem Studio wieder, ich wurde unter Alkohol gesetzt und lernte Dolly Buster kennen - von deren Existenz ich vorher keine Ahnung hatte - man verschloss die Studiotüren und ich hatte einen neuen Beruf. Insofern ist die Antwort auf die Frage eher "nein". Aber ich mag das, was ich in Zusammenhang mit "Wa(h)re Liebe" mache, ich habe viel gelernt und Souveränität gewonnen und ich bekomme immer noch gute Laune, wenn wir die Sendung produzieren.

Warum liegt Ihnen das Thema Erotik so ganz besonders am Herzen?

Wie wohl fast alle Menschen dilletiere auch ich vor mich hin, wenn es um Liebe, Sexualität und Erotik geht. Aber ich bin aufgeschlossen zu lernen und glaube, dass viele Verletzungen, die Auswirkungen auf unser Leben bis in die Politik haben, vermieden oder sogar geheilt werden können, wenn wir offen gerade über diese Themen sprechen. Außerdem bin ich der Meinung, dass eine Gesellschaft generell toleranter ist, in der Tabus gebrochen werden.

Mit welcher Persönlichkeit würden Sie sich gerne einmal in „Wa(h)re Liebe“ unterhalten und warum ausgerechnet mit ihr?

Am liebsten unterhalte ich mich mit sogenannten ganz normalen Menschen. Jeder hat eine Geschichte, die ihn unverkennbar ausmacht und die gleichzeitig universell zu verstehen ist.

Was war bisher für Sie das interessanteste Thema, das in Ihrer Sendung behandelt wurde?

Ich selber bin nicht an der inhaltlichen Gestaltung der Sendung beteiligt, aber ich bin ein Profi und versuche alle Themen unterhaltsam zu servieren. Manche Beiträge sind für mich persönlich eher wenig interessant, andererseits könnte ich aber auch kein Lieblingsthema nennen.

Gibt es Themen über die Sie nie berichten würden? Und wenn ja, welche sind das?

Wir berichten nicht über Missbrauch, Vergewaltigung und Kinderficker (dieses Wort benutze ich mit Absicht um meinen Abscheu zu zeigen).

Gab es schon einmal einen Beitrag, der gedreht und dann doch nicht ausgestrahlt wurde? Und warum?

Nicht dass ich es wüsste.

Sie haben ja ein sehr wechselvolles Leben gehabt von der Buchhändlerin zur Schauspielerin, jetzt zur Moderatorin. Sehen Sie Ihre jetzige Position als Ihre endgültige Berufung an?

Ich bin ein neugieriger Mensch, der immer wieder Neues machen möchte und schließe eigentlich nichts aus, außer Bunjee-Springen. Ursprünglich bin ich ja ein Theatermensch und liebe diesen unmittelbaren Kontakt mit dem Publikum, spiele deshalb aktuell auch immer wieder gern "Der graue Engel" von Moritz Rinke oder auch kleine Rollen in Filmen.

Worin sehen Sie Ihre persönliche Erfüllung?

Wie wohl jeder möchte ich ohne materielle Not leben, mit meinem Beruf zufrieden sein, geistig und körperlich gesund bleiben und Spuren hinterlassen.

Welchen Traum möchten Sie sich noch unbedingt erfüllen?

Ich werde noch Bücher schreiben und möchte Fotografieren lernen.

Wo sehen Sie sich selbst in zehn Jahren?

Ich lasse mich überraschen.

Fernsehwerbung und Anzeigen setzen oft auf den nackten menschlichen Körper als Blickfang. Wie stehen Sie dazu?

Ich habe keine Probleme damit.

Finden Sie, daß es ein Ungleichgewicht in der Werbung zwischen nackten Männern und Frauen gibt?

Ich denke, dass hat sich in letzter Zeit geändert, denn Hauptkonsumenten sind ja eher die Frauen. Generell scheint sich in der Werbung was zu ändern, sie wird witziger und auch ältere Menschen werden als Werbefiguren eingesetzt.

Als gelernte Buchhändlerin darf natürlich auch ein Literaturtip nicht fehlen: Was können Sie unseren Lesern empfehlen?

Philip Roth: Der menschliche Makel z.B. oder Der Besuch des Leibarztes von Per Olov Enquist sind wunderbare Bücher, die ich immer wieder gerne empfehle. Außerdem verweise ich gerne auf meine Homepage www.lilowanders.de, auf der ich den Usern Bücher ans Herz lege.

Welche literarische Richtung bevorzugen Sie persönlich?

Ich lese Rendell, Mankell, French, Walters, Schlink, Rankin, im Grunde alles aus dem Genre Kriminalroman/Gesellschaftsroman, aber auch Sachbücher und Biografien.

Sie haben ja selbst bereits mehrere Bücher verfaßt. Zu welchem Thema würden Sie gerne ein weiteres veröffentlichen?

Als nächstes plane ich ein Theaterstück und in weiter Ferne einen Roman mit autobiografischen Zügen.

Was halten Sie von Beziehungsratgebern wie „Männer sind anders. Frauen auch. Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“, die gerade Hochkonjunktur haben?

Ich halte überhaupt nichts von pauschalen Ratgebern. Jeder Mensch ist anders. Gefallen hat mir allerdings von Susanne Fröhlich und Constanze Kleis "Jeder Fisch ist schön - wenn er an der Angel hängt".

Sie haben drei Wünsche frei. Welche wären das?

Das bleibt privat!

Danke für dieses Interview.

erschienen im Themenheft Erotik des Lesestoff Leipzig, 08/2003

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